Heilung und Spiritualität – Interview mit Mary McFadyen
Mary McFadyen ist eine der 22 MeisterInnen, die von Hawayo Takata eingeweiht wurden – seitdem lehrt sie weltweit das Usui-System des Reiki. 1981 gab sie das erste Reiki-Seminar auf europäischem Boden, in Hamburg. In Berlin, an einem weiteren Wirkungsort Marys in Deutschland, sprach Oliver Klatt mit ihr über Reiki und den Zusammenhang zwischen Heilung und Spiritualität.
Oliver: Mary, vielen Dank für deine Bereitschaft zu diesem Interview. Du wurdest von Mrs. Takata im Sommer 1980 zur Reiki-Meisterin eingeweiht, das war ein paar Monate bevor sie starb, im Dezember 1980
Mary: Es ist mir eine Freude hier zu sein. Und ich werde dir erzählen was ich kann. Ich habe heute vormittag schon etwas darüber nachgedacht. Einiges ist mir nur noch vage präsent. Es ist 25 Jahre her …
Ich wurde im Dezember 1979 in Reiki I eingeweiht, von John Gray, einem von Mrs. Takatas ersten Meistern. Als ich danach begann Reiki anzuwenden, praktizierte ich innerhalb von drei Monaten gleich mehrere hundert Stunden lang. Ich wusste nicht, dass das eher ungewöhnlich war – dazu sage ich später noch etwas …
Und dann, im Juli 1980, erhielt ich Reiki II, und ich stellte John ein paar Fragen dazu, wie es sein könnte, Reiki-Meisterin zu werden. Ich hatte seit sieben Jahren nach etwas gesucht, ohne zu wissen, was es war. Interessanterweise hatte ich sieben Jahre bevor ich Reiki entdeckte, 1972, eine Hellseherin konsultiert, Betty Bethards, die mir gesagt hatte: „Du bist eine Lehrerin und eine Heilerin.“ Ich hatte viele Jahre in einem Büro gearbeitet, aber ich dachte: ‚Nun, das ist interessant …‘ Und in den darauffolgenden Jahren dachte ich manchmal: ‚Das ist ja alles schön und gut, aber ich habe nichts, das ich lehren kann und keine Methode, mit der ich heilen kann.‘ Ich erforschte verschiedene Formen psychologischer Arbeit, aber nichts zog mich wirklich ausreichend an. Und dann war es tatsächlich ziemlich genau sieben Jahre nach dieser Vorhersage, dass ich die Person traf, über die ich schließlich zu John Gray fand. Im Dezember ging ich also zu John, um Reiki I zu machen, und im Juli 1980 erhielt ich Reiki II. Zu dieser Zeit fühlte ich, dass es das war, wonach ich gesucht hatte. Eigentlich hatte ich es sofort gewusst. Als ich von Reiki gehört hatte, klingelte es bei mir. Ich fuhr fast 300 Kilometer für die Einweihungen und wusste immer noch nicht so richtig, was Reiki eigentlich war. Ich wusste einfach, dass ich es wollte.
Oliver: Dann war deine Motivation, Heilerin zu werden?
Mary: Ja. Und ich hatte nach etwas gesucht, das das konnte, was Reiki konnte. Es fühlte sich einfach absolut richtig an. Obwohl ich immer noch nicht verstand, was es wirklich war, aber ich wusste einfach: Das ist es! Ich erhielt also Reiki I und II von John Gray. Damals dachte ich, Mrs. Takata lebe auf Hawaii, das hatte ich gehört, aber mehr wusste ich nicht darüber.
Ich wurde ziemlich stark geprüft, bevor ich Reiki I erhielt, bevor ich Reiki II erhielt und dann bevor ich Reiki-Meisterin wurde. Kurz bevor ich Meisterin wurde, passierte Folgendes: Jemand, den ich sehr mochte, der mir wirklich wichtig war – eine Freundin, eine jüngere Frau – tat etwas, wodurch ich mich sehr betrogen fühlte, und das verletzte mich sehr. Damit hatte ich wirklich zu kämpfen. Ich lebte damals in einer spirituellen Gemeinschaft, und ich wusste um die Notwendigkeit, mit meinen Gefühlen in richtiger Weise umzugehen, aber ich hatte drei Wochen lang wirklich damit zu kämpfen. Danach war ich in der Lage zu sagen: Es ist okay! Was sie tut, ist das, was sie tut. Alles, worum es für mich dabei geht ist das, was ich tue! Und ich war in der Lage, darüber hinaus zu gehen.
Dann, am nächsten Tag, traf ich jemandem, den ich schon etwa ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, und er sagte zu mir: „Wusstest du, dass Patricia von Mrs. Takata zur Reiki-Meisterin eingeweiht wird?“ Ich sagte: „Nein, das wusste ich nicht!“ Und er sagte mir, wo. Ich wusste nicht, dass Patricia Ewing, über die ich anfangs zu Reiki gekommen war und die mich zu John Gray geschickt hatte, zu dieser Zeit in Oregon war. Er gab mir ihre Nummer, und ich rief sie an und fragte: „Kann ich kommen und mit zu Mrs. Takatas Kurs gehen?“ Denn ich wollte sie wirklich treffen. Also willigte Patricia ein. Wir besprachen noch einige Dinge, und dann fuhr ich nach Oregon. Ich nahm gleich an dem ersten Kurs teil, den Takata gab. Es war ein Reiki I-Kurs, an vier aufeinander folgenden Abenden. Am Ende des Kurses sagte ich zu Patricia: „Wann kann ich Mrs. Takata treffen?“ Und sie sagte: „Nun, vielleicht am Sonntag.“ Sonntag war der letzte Tag, und ich musste einen Zug erwischen, um zurück nach Kalifornien zu kommen, also dachte ich: ‚Oh, mein Gott, Sonntag ist zu spät.‘ Und ich schaute rüber zu Mrs. Takata, die ganz alleine auf einem Stuhl saß. Die letzten Teilnehmer verließen gerade die Halle, und es war, als wäre sie von einem Lichtkreis umgeben. Ich schaute zu ihr und sagte zu mir: „Jetzt!“ Ich ging zu ihr hinüber und erzählte ihr wer ich war, dass ich in einer spirituellen Gemeinschaft lebte, dass ich beide Reiki-Grade von John Gray erhalten hatte und dass ich in den letzten paar Monaten mehr als 500 Stunden lang Reiki-Behandlungen gegeben hatte …
Oliver: Oh, das ist viel …
Mary: Ich wusste nicht, dass es viel war … Ich kannte niemanden außer John und Patricia, und Patricia war in Oregon, also war ich völlig alleine dort in der Gemeinschaft in Nord-Kalifornien, mit Reiki. Ich erzählte also Mrs. Takata von mir, ich sagte ihr, dass ich hoffte, Reiki-Meisterin werden zu können, und ich fragte, ob sie mich als potenzielle Reiki-Meisterin in Erwägung ziehen würde… und dann hörte ich auf zu reden. Ich fragte nicht danach, jetzt eingeweiht zu werden. Ich hätte nicht die Kühnheit, die Nerven dazu gehabt, das zu tun. Dann gab es eine Pause, und schließlich sagte sie: „Oh, wir müssen sofort mit deiner Ausbildung beginnen!“ Dann rief sie Patricia herüber, und sie sagte ihr, dass sie wolle, dass ich mit in Patricias Haus wohne – ich war irgendwo anders untergebracht -, also brachte sie mich mit Patricia zusammen für die nächsten Tage, und sie weihte uns beide ein. Als ich dann nach Hause fuhr, war ich Reiki-Meisterin. Und ich war erschüttert. Ich konnte nicht glauben, was passiert war. Ich war absolut hingerissen. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich war so verwundert.
Oliver: Also hast du von Mrs. Takata alles erhalten, in diesen Tagen, was du benötigst, um den ersten Grad, den zweiten Grad und die Meistereinweihung vorzunehmen?
Mary: Ja. Und ich denke wirklich, rückblickend, dass Mrs. Takata mich aus verschiedenen Gründen so schnell einweihte. Ich denke, der Hauptgrund war, dass sie wahrscheinlich eine Intuition hatte, die ihr sagte, dass sie nicht mehr lange da sein würde. Für sie war es klar, dass ich bereit war, Meisterin zu sein, obwohl ich Reiki noch nicht sehr lange praktiziert hatte. Aber ich hatte für einige Jahre in einer spirituellen Gemeinschaft gelebt. Ich befand mich seit Jahren auf meinem spirituellen Weg. Ich glaube, ich besaß die Qualitäten und die Hingabe, nach der sie suchte. Und ich hatte bereits ziemlich viele Erfahrungen mit Reiki gemacht. Ich hatte nicht unterrichtet, aber ich hatte mehrere hundert Stunden Reiki gegeben und dabei alle möglichen Probleme behandelt. Dies waren, so denke ich, die Gründe, weshalb sie mich zu diesem Zeitpunkt einweihte.
Oliver: Nun, für mich fühlt es sich so an, als seien diese Zusammenhänge sehr anders als die einiger Kurse, in denen man heute manchmal sogenanntes Reiki I , Reiki II und das, was Meistergrad genannt wird, bekommt, alles an einem Wochenende …
Mary: Ja, das hat keine Substanz …
Oliver: Ja, das sehe ich auch so. Und wie ist das? Lehrst du seitdem Reiki, ich meine regelmäßig, ohne Unterbrechung?
Mary: Ja …
Oliver: Ich weiß, dass du das erste Reiki-Seminar in Europa gegeben hast, es war in Hamburg. Also, das erste Reiki-Seminar in Europa fand in Deutschland statt!?
Mary: Ja, das erste europäische Reiki-Seminar war in Hamburg, im Frühling 1981. Und es war sehr interessant, denn vor 25 Jahren war es schwierig, einen Ort zu finden, wo man einen Workshop mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern durchführen konnte. Also fand das Seminar in einem heruntergekommenen, alten Lagerhaus statt, unten am Hafen. Es war wirklich kein schöner Ort. Es war die Art von Raum, wo sonst Musikbands üben oder Tanzgruppen proben. Ich musste die Einweihungen in einer Küche vornehmen. Die Tür hing nicht in den Angeln, also musste ich diese große, schwere Tür anheben, sie wieder richtig absetzen, zwei Leute einweihen – weil dort nur Raum für zwei war -, die Tür wieder bewegen, die zwei hinaus lassen, zwei weitere hereinlassen, die Tür wieder zurückstellen … (Lachen) … aber es war wirklich ein ganz wunderbarer Workshop!
Oliver: Wie viele Teilnehmer waren es?
Mary: Es waren 26 …
Oliver: Oh, so viele …
Mary: Es waren viele … Mit all den Einweihungen in der Küche … die Tür, die aus den Angeln hing … es war eine ganz schöne Herausforderung … (Lachen)
Oliver: (Lachen) Das kann ich mir vorstellen …
Mary: Es war eine wunderbare, wirklich wunderbare Erfahrung, und am Ende – es waren viele Männer in diesem Kurs -, hatten einige von ihnen Tränen in den Augen. Die ganze Sache war eine wunderbare Erfahrung. Und dann gab ich einen Kurs in Frankfurt. Bei dem Einführungsabend war eine Hexe anwesend. Sie nahm nicht an dem Reiki-Kurs teil, aber es gab ein paar eigenartige Vorkommnisse rund um den Kurs, es war ziemlich interessant. Und dann ging ich nach Findhorn, in Schottland, und unterrichtete dort Reiki. Es war ein schöner und faszinierender Ort. Später kehrte ich mit meinem Mann dorthin zurück, und wir verbrachten drei Wochen dort, es war wirklich ein wunderschöner Ort. Interessanterweise, letzte Woche in Portugal – wo ja viele Brazilianer leben – sagte jemand zu mir: „Ich habe eine Frau getroffen, die sagt, sie habe bei dir Reiki gelernt, und sie lebt in Brasilien.“ Und ich sagte: „Brasilien? Ich habe nie jemanden in Brasilien eingeweiht.“ Dann erinnerte ich mich daran, dass eine Brasilianerin in dem Kurs gewesen war, den ich damals in Findhorn gegeben hatte, vor 25 Jahren. Sie macht also offenbar immer noch Reiki. Sie lebt im Norden von Brasilien …
Oliver: Hast du in vielen Ländern Reiki unterrichtet?
Mary: Ja …
Oliver: Erinnerst du dich an einige?
Mary: Ich habe fast nonstop in Deutschland unterrichtet. Es gab nur ein Jahr zwischendurch, wo ich nicht kam, aber …
Oliver: Du meinst, du hast hier jedes Jahr Reiki unterrichtet, seit 1981?
Mary: Ja, zwei Mal im Jahr …
Oliver: Das sind dann also 25 Jahre jetzt …
Mary: In Deutschland habe ich sieben Jahre lang in Tübingen Reiki unterrichtet. Ich liebe Tübingen! Ich habe in Ravensburg unterrichtet und woanders dort in der Gegend, auf dem Land, auf einem Schloss, und dann in München, Nürnberg, Stierberg, Berlin, Hamburg, Bremen …
Oliver: Oh, Bremen, das ist meine Heimatstadt …
Mary: Tatsächlich? Ich habe dort einige Male unterrichtet … und dann in der Schweiz, ein paar Male. Dann einige Jahre in Island, auf Mauritius, im Indischen Ozean, in Indien … wo noch? Portugal, England, auf den Hawaiianischen Inseln … dort habe ich fünf Jahre lang unterrichtet. Das hat mir sehr gefallen, es war einer meiner absoluten Lieblingsorte, die Hawaiianischen Inseln …
Oliver: Ich war nie dort …
Mary: Es ist wunderbar dort, und es ist warm … und natürlich habe ich überall in den USA unterrichtet, seitdem ich eingeweiht bin …
Oliver: Ohne Pausen dazwischen?
Mary: Ja, ich habe immer unterrichtet … In Deutschland habe ich ein Jahr lang nicht unterrichtet, weil ich die Intuition hatte, dass es Zeit war, einige Veränderungen vorzunehmen. Also sagte ich zu meinen Schülern: „Ich werde noch einmal kommen und den zweiten Grad unterrichten, und dann werde ich weiterhin kommen, aber ohne zu unterrichten.“ Und dann erhielt ich einen Brief aus Berlin, in dem stand: „Hier gibt es so viele Menschen, die auf dich warten. Wann kommst du?“ Und so kam ich also auch weiterhin. Ich habe wirklich kaum aufgehört, hier zu unterrichten. Es gab nur eine kurze Lücke zwischendurch, aber ich unterrichtete zu dieser Zeit immer noch in den USA und in anderen Ländern …
Oliver: Du sagtest, du hast in einer spirituellen Gemeinschaft gelebt, bevor du Reiki erhieltest. Worüber ich häufig nachdenke, sind Ähnlichkeiten und Unterschiede, die es zwischen spiritueller und heilerischer Arbeit gibt – kannst du etwas zu diesem Thema sagen? Würdest du sagen, dass der Weg eines Heilers, der sich selbst und andere heilt, derselbe Weg ist wie der von jemandem, der einen spirituellen Weg geht, viel meditiert etc.? Siehst du da Ähnlichkeiten oder Unterschiede? Sind beide Wege gleich? Ist einer von beiden wichtiger als der andere?
Mary: Nun, ich denke, dass es beim Heilen um Spiritualität geht. Ich denke nicht, dass man das eine vom anderen trennen kann. Für viele Menschen ist das unbewusst. Sie sind sich nicht darüber bewusst, was sie tun. Aber in meinen Kursen spreche ich viel über das Wesen von Krankeit und Heilung. Ich gebe meinen Schülern Informationen darüber, wie man erkennen kann, was das Lebensproblem ist, was das mental-emotionale Problem ist, das die Krankheit verursacht. Weil es sehr offensichtlich ist, dass, bevor wir krank werden, wir ein Hauptproblem haben, das wir nicht gelöst haben. Die meisten Menschen wollen zunächst nicht darüber nachdenken. Sie denken, sie sind da durch gegangen und haben es gelöst, aber sie haben es nicht. Und dann, wenn sie es nicht gelöst haben, wird diese mental-emotionale Energie sie bis zu einem gewissen Grad krank machen. Es kann mehr im Hintergrund bleiben oder absolut im Vordergrund stehen. Für mich ist es ein sehr wichtiger Teil der Arbeit als Heilerin – ich mag dieses Wort eigentlich nicht verwenden, weil wir andere nicht heilen; wir helfen den Menschen, sich selbst zu heilen. Was ich tue ist, mit Heilenergie zu arbeiten. Es verleiht einem eine gewisse Wichtigkeit, wenn man sagt: „Ich bin Heiler!“, so wie man beispielsweise sagt: „Ich bin Arzt!“ oder: „Ich bin Rechtsanwalt!“. Also vermeide ich diese Art von Sprache. Ich verwende z. B. auch nicht das Wort „Patient“, und ich verwende das Wort „Heiler“ nicht, wenn ich es vermeiden kann. Also, bei der Arbeit mit Menschen, unter einem heilerischen Gesichtspunkt, ist es sehr wichtig, sie in Berührung zu bringen mit dem, was in ihrem Leben der Grund für ihre Krankheit ist, weil man andernfalls vielleicht die Krankheit heilen kann, aber wenn das Problem und die Gefühle noch immer da sind, dann verursacht dies weiterhin Krankheit. Es ist also extrem wichtig, mit der eigentlichen Ursache in Berührung zu kommen und sie zu klären. Selbstverständlich wird Reiki auch das zugrunde liegende Problem klären, ebenso wie es den physischen Körper heilt, mit der Zeit, aber ich habe herausgefunden, dass dies sehr viel schneller geschieht, wenn die Person bewussterweise in den Heilungsprozess integriert wird. Es gibt einige sehr gute Bücher heutzutage, und ich empfehle oft eines von Colin Tipping mit dem Titel Ich vergebe. Der radikale Abschied vom Opferdasein. Es ist ein hervorragendes Buch, denn zwei unentbehrliche Zutaten für wahre Heilung sind Liebe und Vergebung. Man kann den Körper heilen, aber es kann sehr viel länger dauern, bis man aufrichtig sagen kann, dass man jemanden liebt, der einem möglicherweise Schaden zugefügt hat, und ihm wirklich zu vergeben. Colin Tipping vermittelt ein revolutionäres Veständnis davon, was Vergebung ist …
Oliver: Und was sagt er?
Mary: Nun, die Art, wie wir normalerweise Vergebung sehen, ist: „Diese Person hat mir Schaden zugefügt. Diese Person hat mir Unrecht getan, hat mir geschadet, und nun werde ich großmütig sein und ihm oder ihr vergeben. Ich werde sagen: ‚Okay, es mag nicht alles richtig gewesen sein, aber wir machen weiter, und ich werde versuchen, es zu vergessen.‘ “ Colin Tipping sagt, dass das überhaupt keine Vergebung ist …
Oliver: Aha …
Mary: Vergebung ist, zu erkennen, dass niemand einem je irgendwelchen Schaden zugefügt hat …
Oliver: Oh, ich verstehe …
Mary: Es ist ein interessantes Buch. Ich schließe mich seiner Sichtweise an, die auch Teil des spirituellen Weges ist. Ich hätte nicht dieselben Worte verwendet, aber, nachdem ich seine Definition gelesen habe, kann ich mich ihr aus vollstem Herzen anschließen. Ein Zitat, das ich meinen Schülern in einem Reiki I-Kurs mitgebe, ist: „Keine wirkliche Heilung von Körper, Geist oder Seele kann stattfinden, ohne eine gewisse spirituelle Anstrengung seitens des Leidenden.“
Oliver: Also, was denkst du: Ist es für deine spirituelle Entwicklung ausreichend, dich täglich mit Reiki zu behandeln? Oder ist dafür auch Meditation nötig? Ich habe gelesen, dass du Schülerin von Sai Baba warst oder bist. Vielleicht hast du von ihm etwas erhalten, dass dir in dieser Hinsicht hilft?
Mary: Nein, ich denke nicht, dass das eine vom anderen abhängig ist, weil: Wenn es so wäre, dann würde es niemandem gut gehen! Viele Menschen, die krank sind, sind keine bewusst spirituell suchenden Menschen, und ihre Definition von Spiritualität mag eine andere sein als meine. Vielleicht ist es für manche eher eine „Sonntagsangelegenheit“, also keine „Sieben-Tage-die Woche“-Sache … was nicht heißen muss, dass sie nicht spirituell oder nicht aufrichtig sind. Es gibt viele Arten, wie die Menschen Spiritualität definieren, und viele verschiedene Wege, die sie nehmen … Spiritualität ist ein Bestandteil von Heilung, aber vielleicht ist es kein bewusster Bestandteil. Mit anderen Worten: Man muss sich offensichtlich nicht auf einem spirituellen Weg befinden, um von einer größeren Krankheit geheilt zu werden. Aber andererseits muss es bis zu einem gewissen Grad eine innere Veränderung und inneres Wachstum geben, damit wahre Heilung stattfinden kann.
Oliver: Und von der anderen Seite aus betrachtet: Ist Heilung ein notwendiger Bestandteil für Spiritualität?
Mary: Nein.
Oliver: Okay … Also das ist interessant, oder nicht?
Mary: Kannst du etwas genauer sagen, was du damit meinst?
Oliver: Was ich meine, ist … zum Beispiel in einigen Religionen, die aus dem Fernen Osten kommen, beispielsweise im Buddhismus, denen das Konzept der Reinkarnation zugrunde liegt, heißt es ja, sehr vereinfacht gesagt, dass alles, was zu tun sei, ist, dem eigenen Lebensweg zu folgen, in spiritueller Weise, und das zu tun, was dafür eben notwendig ist, mit dem letztendlichen Ziel, erleuchtet zu werden, und nur das zu tun … und dann, eines Tages, in diesem oder einem weiteren Leben, bestehe dann keine Notwendigkeit mehr zu reinkarnieren. Vielleicht entscheidet man sich dann, sich wieder zu inkarnieren, um anderen Menschen zu helfen, aber es gibt keine Notwendigkeit mehr, die aus einem selbst heraus kommt. Also, ausgehend von diesem Konzept, ist meine Frage: Ist es nicht ausreichend, für das ultimative Ziel der Erleuchtung, „nur“ einen spirituellen Weg zu gehen, sich in Meditation zu üben etc., aber nicht unbedingt eine Heilmethode zu praktizieren, eine Methode, deren Hauptfokus auf Heilung liegt?
Mary: Nun, natürlich kann man einem spirituellen Weg folgen, ohne in irgendeiner Weise etwas mit irgendeinem Heilsystem zu tun zu haben… Die meisten großen Seelen, die spirituelle Lehrer oder Heilige geworden sind, hatten überhaupt nichts mit einem Heilsystem zu tun, und zwar aus einem Grund: Sie vertrauten in Gott! Sie erwarten … sie bitten Gott um Heilung. Und da Heilung so sehr im Geiste passiert, in einem Teil des Geistes, und ebenso die Gefühle, können wir ganz wunderbar Heilung erfahren ohne jegliche Arten und Weisen des Heilens oder die Hilfe einer anderen Person. Aber für den durchschnittlichen Menschen kann es einen großen Unterschied machen, die Möglichkeit zu haben, zu jemandem zu gehen und zu sagen: „Hilf mir, dass ich gesund werde!“ Das ist wirklich ein ziemlich großes Thema!
Oliver: Ja … aber was war deine Motivation, nach einem Lehrer wie Sai Baba Ausschau zu halten? War es das Gefühl, dass im Reiki-System irgendetwas fehlt?
Mary: Ich befand mich auf meinem spirituellen Weg, lange bevor ich Reiki hatte … Ich war lange auf der Suche gewesen, und schließlich wurde ich Anhängerin von Paramahansa Yogananda. Mein Mann und ich fanden heraus, dass es eine Gemeinschaft in Nordkalifornien gab, in den Bergen, namens Ananda. Diese Gemeinschaft war von Swami Kriyananda gegründet worden. Er war Amerikaner und seit seinem 19. Lebensjahr ein Schüler von Yogananda. Er verbrachte vier Jahre mit Yogananda in Los Angeles, im dortigen Ashram, bevor Yogananda seinen Körper verließ. Und wir waren für sechs Jahre in Ananda, und es war wunderbar! Es war in dieser Zeit, dass ich von Reiki hörte, und dann erhielt ich Reiki. Zu dem, was du vorhin gesagt hast, über deine Erfahrung, dass du etwas vermisst hast im Reiki-System … nun, ich habe das nie, weil ich zu Reiki kam, nachdem ich mich fest einem spirituellen Pfad verpflichtet hatte. Ich lebte in einer spirituellen Gemeinschaft, zusammen mit wundervollen Menschen, es war ein Dorf, das ganze Gebiet war insgesamt fast 1.000 Morgen groß. Und es gab niemals eine Unterhaltung, bei der nicht spätestens nach drei, vier Minuten das Wort „Gott“ auftauchte. Es war eine wundervolle Umgebung. Ich hatte viel von Yoganandas Lehren in mir aufgenommen, als ich Reiki erhielt, also habe ich Reiki im Grunde genommen sofort von einer spirituellen Sichtweise her verstanden. Ich hatte schon etwas Ahnung von Energiearbeit, bevor ich Reiki erhielt. Viel von dem, was Reiki angeht, habe ich mir ganz natürlicherweise vor dem Hintergrund dessen erschlossen, was ich bereits kannte. Und es war nie eine Frage für mich, dass Reiki heilig ist, dass es „Gott in Aktion“ ist. Diesbezüglich hegte ich nie den geringsten Zweifel. Mrs. Takata sagte zu Patricia und mir: „Reiki ist göttliches Licht. Es ist bedingungslose Liebe.“ Ich sah einfach keine Trennung zwischen Gott, dem Universum und Reiki … das alles ist Teil der einen Sache. So gesehen war es also die wunderbarste Erfahrung, in der Lage zu sein, mit der Reiki-Energie zu arbeiten und den Menschen zu helfen zu heilen. Und viele der Menschen, die ich in der ersten Zeit behandelte, waren sehr spirituelle Menschen. Ich machte einige unglaubliche Erfahrungen in diesen ersten Monaten. Ich behandelte Menschen, die ernsthaft an Krebs erkrankt waren, Babys, Kinder, Rückenschmerzen, mentale und emotionale Probleme, ein vergiftetes Bein, von dem der Arzt gesagt hatte, es müsse amputiert werden, wenn nicht etwas Außerordentliches geschehen würde, was Reiki dann erwirkte… schlimme Kopfverletzungen, die von einem Autounfall herrührten … Phantomschmerzen nach einer Beinamputation … Ein Mädchen in Polen, die ich persönlich nie getroffen habe, war ernsthaft an Magersucht erkrankt. Sie erholte sich sehr gut, nachdem ich ihr Fernreiki gegeben hatte. Dabei lernte ich, dass man nicht wissen muss, wie jemand aussieht, wenn man ihm oder ihr Fernreiki gibt – es ist von Vorteil, aber nicht unbedingt nötig. Es war eine aufregende Zeit und ein echter Crash-Kurs in Heilung!
Oliver: Mary, nachdem wir über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von spirituellen Disziplinen und Heilmethoden gesprochen haben: Was hältst du von Meditation? Meditierst du regelmäßig?
Mary: Nun, ich bin nicht gerade groß im Meditieren … In den ersten Jahren mit Reiki habe ich herausgefunden, dass ich, obwohl ich in einer spirituellen Gemeinschaft lebte, nicht gerade gut darin war, morgens um vier Uhr aufzustehen, um zu meditieren oder andere spirituelle Methoden auszuüben. Ich war immer aufrichtig bei der Sache und hatte viel Hingabe, aber ich war nie groß im Meditieren – nicht, dass ich darüber erfreut bin, es ist einfach so. Aber ich habe herausgefunden, dass, wenn man Reiki intensiv anwendet – was ich getan habe, d. h. vor allem anderen Menschen Behandlungen zu geben -, dass einen dies an denselben inneren Ort bringt. Reiki ist ein spiritueller Weg, und für mich ist es eine der Stärken von Reiki, dass es ein spiritueller Weg ist. Die Energie selbst ist „Gott-in-Aktion“, sie ist bedingungslose Liebe und göttliches Licht. Und wenn man ständig mit dieser Energie arbeitet, dann kann man nicht umhin, daran zu wachsen, man kann nicht umhin, dabei in die richtige Richtung gelenkt zu werden. Dafür muss man sie natürlich häufig anwenden. Ich denke aber immer noch, dass Meditation nötig ist. Es gibt nichts, was sie wirklich ersetzen kann, insgesamt betrachtet. Aber ich habe keinen Zweifel daran, dass Reiki ein spiritueller Weg ist. Und dessen Stärke ist in jedem Fall, dass man keiner Gruppierung angehören muss, dass man an niemanden glauben muss, dass man kein Anhänger von jemandem oder irgendetwas sein muss, dass man sich keinem Glaubens- oder Regelsystem verschreiben muss – und so ist dieser Weg zugänglich für alle, überall auf der Welt, egal, welcher Religion man angehört, welches Glaubenssystem man hat …
Oliver: Ich sehe das auch als einen großen Vorteil des Reiki-Systems. Für mich erklärt dies, warum es weltweit so verbreitet ist … Und dann, manchmal, fühlt es sich für mich so an, als habe es etwas von seiner Essenz verloren … oder irgendetwas …
Mary: Das Reiki, das von Dr. Usui gegeben wurde und zu uns über Mrs. Takata kam, ist ausreichend … Aber es ist dazu gekommen, dass es verzerrt worden ist, es ist verwässert worden, und es ist verändert worden, so weit, dass vieles von dem, was heute als Reiki gelehrt wird, kein Reiki ist. Es mag dann eine Energie da sein, und etwas davon ist auch klar eine Heilenergie, es funktioniert, es ist okay … Aber vieles davon ist keine wahre Heilenergie, es ist nicht die Energie, die uns Mrs. Takata gab … und es ist nicht Reiki. Meine Annahme ist – und es ist nur eine Annahme, weil man es unmöglich wissen kann -, aber meine Annahme ist, dass mehr als 70 Prozent von dem, was heute als Reiki gegeben wird, kein Reiki ist. Es wurde verändert: Die Symbole wurden verändert, die Einweihungen wurden verändert, in einigen Reiki-Systemen wird den Schülern nicht die volle Anzahl von vier Einweihungen beim ersten Grad gegeben. Viele erhalten nur eine Einweihung, als wenn das dasselbe wäre wie vier Einweihungen zu erhalten. Aber es ist natürlich nicht dasselbe. Ich habe in Büchern Symbole gesehen, dass mir die Haare zu Berge stehen – sie sind anders herum, stehen auf dem Kopf, das Kraftsymbol wird sogar ziemlich häufig anders herum gelehrt, und das eigentliche Symbol wird dann als ein zusätzliches Symbol gelehrt … Nun, das eine gibt Energie hinein, das andere nimmt Energie heraus, also, was ist da los? Die Leute denken, sie könnten Veränderungen vornehmen, und das sei okay so … Es mag sein, dass es okay ist, und es mag nicht so sein … Meine persönliche Sicht ist, dass es nicht so ist. Ich versuche, dem treu zu bleiben, was Mrs. Takata gelehrt hat. Reiki hat sich entwickelt, seitdem sie gestorben ist. Es gibt auch viele Techniken, bei denen die Reiki-Symbole verwendet werden und die sehr wertvoll sind. Aber sie stehen immer noch in der Tradition dessen, was gelehrt worden ist …
Oliver: Hast du davon gehört, dass manche sagen, dass Dr. Hayashi viel verändert hat, d. h. dass er Reiki anders gelehrt hat als Mikao Usui?
Mary: Ich denke, ich habe davon gehört, am Rande. Ich habe darüber gelesen – und ich weiß nichts darüber. Ich müsste wissen, was er verändert hat und wie das, was er verändert hat, vorher gewesen ist, bevor ich mir Sorgen darüber machen würde, was ich tue. Weil ich weiß, dass das, was ich tue, funktioniert. Und, dies ist meine persönliche Sicht: Ich verstehe es so, dass er die Form der Behandlung bis zu einem gewissen Grad systematisiert hat und die ersten Aufzeichnungen darüber vorgenommen hat. Aber ich nehme an, dass er die Symbole nicht verändert hat …
Oliver: Es scheint so, ja…
Mary: Und wir haben drei Symbole im Zweiten Grad: Das Erste verbindet uns mit der Kraft des Universums. Das zweite Symbol verbindet uns mit dem göttlichen Geist. Und das dritte Symbol transzendiert Zeit und Raum! Was gibt es sonst noch Wichtiges? Warum benötigen wir mehr Symbole? Es gab eine Zeit, in den späten 80er und frühen 90er Jahren, da schienen alle unablässig auf der Suche nach neuen Symbolen zu sein. Ganz so, als wenn das, was sie taten, dadurch irgendwie besser würde. Das ist nicht wahr! Alles, was wir tun müssen, ist zu wissen, wie wir das, was wir erhalten haben, anwenden! Und, aus meiner Sicht haben wir nur ein kleines Stück des Ganzen. Vielleicht gibt es tatsächlich mehr Symbole. Aber die drei, die wir haben, sind unglaublich!
Oliver: Ja, das stimmt! Mary, ich würde gerne noch zu einem anderen Punkt kommen: In deinem Buch Die Heilkraft des Reiki schreibst du über Heilungskrisen, und darüber, dass du sie häufig erfahren hast, bevor tiefe Heilung stattfand … Ich erinnere mich daran, dass du etwas in der Art geschrieben hast, ist das richtig?
Mary: Ja …
Oliver: Kannst du etwas dazu sagen, wie du mit Heilungskrisen umgehst? Um den Menschen ein paar Empfehlungen zu geben …
Mary: Nun, das Wichtigste ist, ihnen zu sagen, dass sie vielleicht eine haben werden! (Lachen)
Oliver: (Lachen)
Mary: Ich nenne es nicht „Krise“, ich sage einfach Heilreaktion … und dass eine solche Reaktion ziemlich normal ist, wenn der Körper sich selbst auf natürliche Weise heilt. Ich sage meinen Schülern, dass es wichtig ist, der Person, die man behandelt, gegenüber zu erwähnen, dass es dazu kommen kann, jedoch keine große Sache daraus zu machen. Man sollte zurückhaltend damit sein, aber es in jedem Fall erwähnen. Und dann, wenn jemand nach seiner ersten Reiki-Behandlung anruft und erzählt, dass es ihm schrecklich geht, dann kann man sagen: „Wunderbar!“ (Lachen) Weil es so ist. Ich sage meinen Klienten, dass so etwas selten länger dauert als zwölf Stunden. Und wenn sie fragen: „Was kann passieren?“, dann sage ich: „Die Symptome verschlimmern sich vielleicht für eine kurze Zeit, und danach geht es dir besser!“ Und genau so passiert es. Vor einiger Zeit hatte ich … es war keine Heilungssituation von mir, es war die einer meiner Schülerinnen, sie hatte eine Abwesenheitsheilung (engl.: Absent Healing, Anm. d. Interviewers) gegeben …
Oliver: Du sprichst von „Abwesenheitsheilung“ bzw. „Heilung einer abwesenden Person“ anstelle von „Fernheilung“ (engl.: Distant Healing, Anm. d. Interviewers)?
Mary: Der Begriff „Fernheilung“ impliziert, dass man Reiki aussendet, dass es „durch den Äther“ fließt, und dann, nach einer gewissen Zeit, beim Empfänger ankommt. Das läuft aber nicht so. Weil das Abwesenheitssymbol (gemeint ist das Fernheilungssymbol / Anm. d. Interviewers) den Raum transzendiert. Und so gesehen ist die Person tatsächlich da … also sage ich lieber Abwesenheitsheilung …
Oliver: Danke für die Erläuterung … Und worum ging es bei der Geschichte, die du erzählen wolltest …?
Mary: Ah ja. Nun, ich hatte von meiner Schülerin erzählt, die ihre Mutter behandelt hatte, die in einem anderen Staat lebte … Sie begann mit vier aufeinanderfolgenden Behandlungen. Ihre Mutter war um die 60, ihre Gesundheit war nicht gut, sie war sehr depressiv, und sie hatte verschiedenartige Probleme. Das Schlimmste war, dass sie unter dem chronischen Müdigkeits-Syndrom litt. Sie konnte nur etwa zwei Stunden am Stück auf ihren Füßen stehen und verbrachte die meiste Zeit im Bett. Eine Sache mit der Heilung anderer Personen in deren Abwesenheit ist, dass die meisten Menschen nicht wirklich daran glauben. Wenn man sie also fragt: „Ist es in Ordnung, wenn ich dir ein paar Behandlungen gebe“, dann sagen sie: „Na klar“, weil sie nicht daran glauben, dass es etwas bewirken wird …
Oliver: Ja, diese Reaktion kenne ich auch …
Mary: Sie denken, es sei alles nur ein Spiel, das wir spielen … Also, ihre Mutter hatte zugestimmt, und meine Schülerin gab ihr vier Behandlungen pro Woche in den ersten beiden Wochen, zwei Behandlungen pro Woche in den darauffolgenden zwei Wochen, und dann eine Behandlung pro Woche für die Dauer von acht Wochen. Nach zwei Monaten hatte die Mutter endlich eine gewaltige Reaktion, emotional wie auch körperlich. Sie fühlte sich ganz schrecklich, ein paar Tage lang, schlechter als es ihr je zuvor gegangen war. Aber sie bat ihr Tochter nicht darum, aufzuhören, wahrscheinlich, weil sie nicht daran glaubte, dass das, was ihre Tochter tat, irgendeinen Einfluss darauf hatte, wie sie sich fühlte. Und dann begann es ihr besser zu gehen … Und nach drei Monaten ging sie zum Arzt, der ihr schließlich sagte, dass keinerlei Symptome mehr bezüglich ihrer Probleme vorhanden waren. Es war alles bereinigt worden, inklusive dem chronischen Müdigkeits-Syndrom … Aber in ihrem Fall hat die große Reaktion wirklich lange gedauert, weil es ein ganzes Leben voller Probleme war, das zu bereinigen war. Dabei ist es normalerweise so, dass schon in den ersten Tagen nach Beginn der Behandlung eine Heilreaktion stattfindet. Manchmal kommt es auch zu einer emotionalen Reaktion – und wenn es dazu kommt, findet sie meist nach der zweiten oder dritten Behandlung statt …
Oliver: Aha … Mary, abschließend möchte ich noch einmal auf meine Frage nach …
Mary: … nach Sai Baba … (Lachen)
Oliver: (Lachen) … zurückkommen, ja – auch wenn du zu vermeiden scheinst, über ihn zu sprechen …
Mary: (Lachen) Nein, ich spreche gerne darüber. Ich liebte Yogananda von ganzem Herzen, und zugleich war es mir immer wichtig, einen spirituellen Lehrer zu haben, der verkörpert ist. 1985 entschied ich mich, nach Indien zu gehen. Eine andere Reiki-Meisterin, Marta Getty, und ich standen in guter Beziehung zueinander – und wir blieben in Verbindung und trafen uns von Zeit zu Zeit. Ich erinnere mich daran, wie wir einmal ein Treffen in einem Waschsalon hatten, in London; sie war auf dem Weg nach Australien, und ich musste irgendwohin, und wir saßen da, schauten auf die Maschinen, sprachen miteinander und aßen Eis oder irgendetwas … (Lachen) Einen Tag vor meiner Abreise nach Indien rief mich Marta an und erzählte mir, dass sie gerade in Indien gewesen sei, in Sai Babas Ashram. Sie gab mir den Namen und die Telefonnummer des Hotels, wo ich in Bangalore bleiben könne, den Namen und die Telefonnummer des Taxi-Services, den ich anrufen könne, wenn ich zum Ashram fahren würde (der 160 Kilometer von Bangalore entfernt liegt), und sie erzählte mir, was ich alles brauchen würde, wie die Dinge im Ashram laufen würden … und ich saß da und dachte: „Ich fahre da nicht hin …“ Ich hatte keinerlei Absicht, zu Sai Babas Ashram zu fahren. Ich hatte einen Film über ihn gesehen, der mir gefiel, aber ich war überhaupt nicht daran interessiert, zu seinem Ashram zu fahren. Ich flog also nach Indien, und ich besuchte einen Ashram, aber nicht seinen Ashram. Jedoch spürte ich, wie seine Energie mich zog. Ich weiß, wie spirituelle Lehrer arbeiten, und ich dachte: ‚Ich komme nicht, ich fahre nicht nach Bangalore!‘ Also fuhr ich zu Muktanandas Ashram, der im Norden von Bombay (heute: Mumbai) liegt. Swami Muktananda war Teil meiner frühen spirituellen Erfahrungen gewesen, auch wenn ich nie seine Schülerin gewesen bin. Ich fuhr also dorthin, und ich hatte eine sehr ungemütliche Erfahrung dort, nichts als Probleme (obwohl ich einige gute Erfahrungen im Heilungsraum des Ashrams machte, wo ich Reiki-Behandlungen gab). Es gibt eine westliche Cafeteria in diesem Ashram, und so konnte ich westliches Essen bekommen, was wirklich fein war. Aber nach zwei Wochen, in denen ich unaufhörlich die innere Botschaft empfing, dass ich mich am falschen Ort befand, kam ich zu der Überzeugung: „Ich muss zu Sai Babas Ashram fahren. Ich möchte nicht dorthin fahren, ich bin dagegen, dorthin zu fahren, aber es sieht so aus, als müsste ich fahren …“ Ich war, vielleicht kann man sagen, spirituell ausreichend entwickelt, um die Zeichen zu sehen – es wäre ziemlich schwer gewesen, sie nicht zu sehen. Und sofort als ich mich entschied, dorthin zu fahren, war es, als wenn alle Probleme von mir abfielen. Ich wollte in Indien nicht alleine fliegen, und ich traf eine junge Frau in Muktanandas Ashram, die ebenfalls zu Sai Babas Ashram wollte, im gleichen Flugzeug, und wir konnten zusammenreisen. Im Taxi zum Flughafen begann ich zu verstehen. Meine neue Freundin erzählte mir, dass zu Muktanandas Lehrer, Nityananda, stets viele Menschen gekommen waren, und wenn jemand kam um ihn zu sehen, der nicht dorthin gehörte, dann schmiss er Steine nach ihm und schrie ihn an, er solle verschwinden. Und genau das war mir passiert, bildlich gesprochen, als ich in Muktanandas Ashram gewesen war. Wir flogen von Bombay nach Bangalore, und später hatten wir eine dreieinhalbstündige Taxifahrt zum Ashram. Die Informationen, die ich von Marta erhalten hatte, erwiesen sich als wahrer Segen und machten alles einfacher… So kam ich zu Sai Babas Ashram, und es war wirklich wunderbar, es war, als würde er einen roten Teppich für mich ausrollen. Ich war nicht sehr lange dort, aber es waren wundervolle Tage, und ich machte einige sehr tiefgehende, spirituelle Erfahrungen. Es war ein bisschen wie zu der Zeit, als ich Reiki entdeckt hatte, und ich wusste, dass es das war, was ich gewollt hatte. Und so, seit dieser Zeit bin ich eine Anhängerin von Sai Baba. Ich bin seitdem öfter dort gewesen, und einmal habe ich einige Monate im Ashram verbracht.
Oliver: Danke für deine Worte hierzu, Mary. Ich habe eine letzte Frage: Praktizierst du immer noch täglich Reiki?
Mary: Oh ja, absolut! Was ich mindestens tue ist, mir selber Reiki zu geben. Es gab eine Zeit, wo dies zur Wahl stand – aber das ist heute nicht mehr so … (Lachen) Ich gebe Behandlungen, und ich behandle andere Menschen in ihrer Abwesenheit – in der ein oder anderen Weise gebe ich jeden Tag Reiki …
Oliver: Danke für das Interview!
Übersetzung aus dem Englischen: Oliver Klatt
Copyright: Oliver Klatt
„Reiki und Schulmedizin“,
Oliver Klatt & Norbert Lindner, Windpferd Verlag, in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. med. Günter Gunia.
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Oliver Klatt ist Herausgeber des Reiki Magazins, der deutschsprachigen Fachzeitschrift rund um Reiki und Geistiges Heilen. Seine Bücher, darunter „Die Heilkraft der Lebensenergie“, „Reiki und Schulmedizin“ und „Die Reiki-Systeme der Welt“, seine Essays und Fachartikel sind in sieben Sprachen übersetzt worden.
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